Wurst- und Durstgeschichten #17 – Visionen

Wer Visionen hat, soll zum Arzt gehen. Hat der alte Schmidt früher gesagt. Der Hanswurst liegt in seiner Hängematte und grübelt über diesen Satz nach. Eigentlich will er nur der Hitze entkommen, beziehungsweise ihr durch Bewegungslosigkeit und das Zuführen von eisgekühlten alkoholischen Getränken zu begegnen. Das Hirn lässt sich allerdings nicht abschalten. Helmut Schmidt war damals in Hanswursts Kindheit der Anführer Westdeutschlands. Danach kam dann der dicke Kohl. In seiner Metzgerei in der Ausbildung, sprachen sie immer vom großen dicken König. König Bockwurst.

Visionen. Die 68er hatten welche. Von Frieden, Liebe und freiem und selbstbestimmten Umgang mit ihrer Sexualität. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass die Kirche, die Bonner Bürokratie und eine Legion verkappter Altnazis im Land das Sagen hatten. Wie erdrückend muss sich das alles für die jungen Menschen der 60er Jahre angefühlt haben. Der Hanswurst ist dafür ein paar Jahre zu spät geboren. Jetzt nimmt er einen großen Schluck seines eisgekühlten Biers. Das wie vielte war das jetzt? Keine Ahnung. Die 68er. Konnten sich nicht wirklich durchsetzen. Erst der visionslose Hamburger, dann König Bockwurst. Erdrückender und spießiger kann es wohl kaum gehen. Captain Currywurst war dann ein Ausrutscher, aber irgendwie auch nicht mit Visionen gesegnet, außer man rechnet die eigene Korumpierbarkeit dazu. Mama Merkel war dann wieder ein wertebewahrender und auf Stillstand ausgerichteter Fels in der Brandung oder der Busen der Nation. Ganz wie man’s nimmt, aber auch ohne wirkliche Visionen. Und Scholz? Wer ist dieser Scholz? Da sollte sich wohl niemand Visionen machen? Ein wenig muss der Hanswurst bei diesem Gedanken schmunzeln.

Da erinnert sich der Hanswurst wie er neulich bei einer Bekannten vom Hape auf’m Klo saß. Vielleicht bei der Jaqueline oder der Caroline? Egal. Wie er da hinkam, weiß er nicht. Eigentlich auch egal. Seine Erinnerung ist ein wenig lückenhaft – vermutlich war’s das Zeug, das der Hape dabei hatte, das für seinen partiellen Filmriss gesorgt hat. Aber er weiß noch, dass er die Zeitschriften auf’m Klo durchblätterte. Eine hieß Die Couch. In dieser Zeitschrift präsentieren anscheinend fancy Menschen, oder jene die sich dafür halten oder Juppies oder Hipster, ihre Katalog-Wohnungen. Wohnungen wie sie der Hanswurst nur aus’m Möbelhaus kennt. In Die Couch führt dann ein Kevin, Anfang 30, durch seine 250 Quadratmeter große Wohnung, in der die verschiedenen Looks und entsprechenden Designermöbel und -dekogegenstände perfekt arrangiert wirken. So, dass sich der Hanswurst fragt, wie sich ein Jungspund wie dieser Kevin das leisten kann. Visionen gibt’s bei solchen Typen wahrscheinlich nicht, vermutlich eher geldgesteuerte Launen- und Modenmitläuferei. Obwohl. Er kennt diesen Kevin ja nicht. Und er will ihn sicherlich auch nicht kennen lernen. Vermutlich reich geerbt oder in eine sehr wohlhabende Familie hineingeboren oder beruflich sehr erfolgreich – Börse, Internet oder Unternehmensberatung. Dann passt das Geld für einen Luxushipster-Lifestyle. Aber hat ein Lifestyle etwas mit Idealen oder Visionen zu tun? Vermutlich nicht. Als Metzger hatte der Hanswurst nur eine luxuslose 2-Zimmerwohnung.

Nach einem weiteren großen Schluck aus seiner immer noch recht kühlen Bierflasche denkt sich der Hanswurst, dass er nicht in eine innere Neid- und Selbstmitleidsdebatte abrutschen will. Nee. Ach ja. Unter der Hängematte liegen ja noch die bunten Blättchen, also die, die ungefragt in jeden Briefkasten gestopft werden. Und so blättert er sie durch. Hier stehen wenigstens ehrliche Preise und Sonderangebote drinnen. Er entdeckt eine Fertigcurrywurst für 1,29 Euro. Das entspricht vermutlich dem Groß der Lebenswelt der anderen Hitzegeplagten da draußen. Aber dann denkt sich der Hanswurst, dass es vermutlich ziemlich okay ist, wenn Menschen mit solchen Zeitschriften wie Die Couch auch mal aus den eigenen tristen 4 Wänden fliehen.

Apropos triste 4 Wände. Langsam ist es an der Zeit seinem aufkommenden Hungergefühl nachzugeben und das am besten im Imbiss ums Eck, beim Schorsch. Mal sehen, was der von Visionen hält…

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